Ein Leben ohne Synchronisation mit deiner zirkadianen Uhr kann dazu führen, dass du dich zu den falschen Tageszeiten müde, unruhig oder hungrig fühlst, und das morgendliche Aufwachen unangenehm wird. Doch es geht um mehr als nur Unbehagen: Eine chronische Schieflage zwischen deiner inneren und äußeren Uhr (="zirkadiane Fehlausrichtung") birgt ernsthafte Gesundheitsrisiken mit sich.
Egal ob du Schichtarbeiter:in, Vielflieger:in über mehrere Zeitzonen oder eine Nachteule bist, die sich an einen festen morgendlichen Zeitplan hält: Dein zirkadianer Rhythmus wird systematisch aus dem Gleichgewicht mit deinem äußeren Zeitplan gebracht. Eine zirkadiane Fehlausrichtung, auch zirkadiane Disruption genannt, wenn die Fehlausrichtung drastisch ist (Schichtarbeit, Jetlag), ist nachweislich mit einer Vielzahl negativer gesundheitlicher Folgen verbunden.
Wie deine zirkadiane Uhr deine mentale Gesundheit beeinflusst
Eine verzögerte zirkadiane Uhr scheint mit der Wahrscheinlichkeit und dem Schweregrad von Winterdepressionen, wissenschaftlich als saisonale affektive Störung (SAD) bezeichnet, zu korrelieren. Bei Menschen mit einer verzögerten Schlafphasenerkrankung (DSPS), bei der der Schlafrhythmus um mindestens 2 Stunden gegenüber der gesellschaftlichen Norm verschoben ist, war die Wahrscheinlichkeit, an SAD zu erkranken, 3,3 Mal höher als bei der Kontrollgruppe [1]. Ein gestörter Schlafrhythmus wird auch mit nicht-saisonaler Depression und bipolaren Störungen in Verbindung gebracht. Obwohl der kausale Zusammenhang noch nicht ganz klar ist, hat eine Studie mit Mäusen gezeigt, dass eine Störung des zirkadianen Rhythmus zu Depressionssymptomen führt [2]. Bei sowohl saisonalen als auch nicht-saisonalen Depressionen beim Menschen zeigt die Chronotherapie (Maßnahmen zur Wiederherstellung einer gesunden Abstimmung zwischen innerer und äußerer Uhr) signifikante Vorteile und wird als empfohlene Behandlung für SAD angesehen [3]. Lerne mehr über SAD in unserem weiterführenden Blogartikel.
Krebs
Verursacht eine Störung des zirkadianen Systems Krebs? Nachtschichtarbeit wird von der International Agency of Research on Cancer (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft [4]. Diese Klassifizierung basiert auf „begrenzten Hinweisen auf Krebs beim Menschen, ausreichenden Beweisen für Krebs bei Versuchstieren und starken mechanistischen Belegen bei Tieren“. Verschiedene Studien fanden einen positiven Zusammenhang zwischen intensiver Nachtschichtarbeit und Brust- oder Prostatakrebs. Auf der anderen Seite gibt es aber auch große Kohortenstudien, die keine signifikanten Unterschiede fanden. Bei Mäusen führten wiederholte 8-Stunden-Zeitverschiebungen im Dunkel-Licht-Zyklus im Vergleich zu 12-Stunden-Hell-Dunkel-Zeitplänen zu einer Zunahme von Krebs. Zudem wurde bei Ratten mit chronisch gestörtem zirkadianen Rhythmus eine erhöhte Tumorzellproliferation beobachtet [4].
Kardiometabolische Störungen
Auch ohne Schichtarbeit sind Inkonsistenzen im Schlaf-Wach-Rhythmus ein häufiges Phänomen: Etwa ein Drittel der mitteleuropäischen Bevölkerung hat einen sozialen Jetlag von 2 Stunden, also die Differenz zwischen dem Schlafzeitpunkt an Werktagen und an freien Tagen. Eine Studie zeigte, dass die Schwere des sozialen Jetlags mit dem Body Mass Index (BMI) in der übergewichtigen Bevölkerung korreliert. Es wurde festgestellt, dass das Schlaf-Timing ein ähnlich wichtiger Prädiktor für Übergewicht ist wie die Schlafdauer [5]. Darüber hinaus gibt es mehrere Studien, die eine größere Insulinresistenz und ein höheres Risiko für Diabetes bei Menschen mit späterem Schlaf-Wach-Timing zeigen [6].
Fazit
Die Beziehung zwischen zirkadianer Verschiebung und Gesundheit ist Gegenstand aktueller Forschung. Während es in einigen Bereichen noch viel zu verstehen gibt, sind die Vorteile einer korrekten zirkadianen Ausrichtung in anderen Bereichen, z. B. bei der Winterdepression (SAD), gut belegt. Insgesamt deuten die vorhandenen Erkenntnisse darauf hin, dass ein konsistenter Rhythmus, der mit deiner Umgebung im Einklang ist, dich nicht nur glücklicher und leistungsfähiger macht, sondern auch langfristig gesünder hält.
Referenzen
[1] Lee, H. J., Rex, K. M., Nievergelt, C. M., Kelsoe, J. R., & Kripke, D. F. (2011). Delayed sleep phase syndrome is related to seasonal affective disorder. Journal of Affective Disorders, 133(3), 573–579. https://doi.org/10.1016/j.jad.2011.04.046
[2] Hamo, M. Ben, Larson, T. A., Duge, L. S., Sikkema, C., Wilkinson, C. W., De La Iglesia, H. O., & González, M. M. C. (2016). Circadian forced desynchrony of the master clock leads to phenotypic manifestation of depression in rats. ENeuro, 3(6). https://doi.org/10.1523/ENEURO.0237-16.2016
[3] Wirz-Justice, A., Benedetti, F., Terman, M., & Basel, S. (2010). Chronotherapeutics for Affective Disorders: A Clinician’s Manual for light and Wake therapy. Annals of Clinical Psychiatry, 22(1), 67.
[4] Ward, E. M.; Germolec, D.; Kogevinas, M.; McCormick, D.; Vermeulen, R.; Anisimov, V. N. et al. (2019): Carcinogenicity of night shift work. The Lancet Oncology 20 (8), pp. 1058–1059. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30455-3
[5] Roenneberg, T., Allebrandt, K. V., Merrow, M., & Vetter, C. (2012). Social jetlag and obesity. Current Biology, 22(10), 939–943. https://doi.org/10.1016/j.cub.2012.03.038
[6] Abbott, S. M., Malkani, R. G., & Zee, P. C. (2020). Circadian disruption and human health: A bidirectional relationship. European Journal of Neuroscience, 51(1), 567–583. https://doi.org/10.1111/ejn.14298