Als tageslichtaktive Lebewesen haben sich die Menschen dazu entwickelt, morgens aufzuwachen und abends schlafen zu gehen [1]. Als 1938 zwei Forscher mehr als einen Monat in einer Höhle ohne Tageslicht oder andere äußere Zeithinweise verbrachten, stellten sie fest, dass sich ihr Schlaf-Wach-Zyklus immer noch wiederholte, allerdings in einem Takt, der etwas länger war als 24 Stunden [2]. Heute wissen wir, dass es in den Zellen von Menschen und anderen Lebewesen einen Prozess gibt, der wie eine innere Uhr funktioniert. Er wiederholt sich in einem Zeitraum von ungefähr 24 Stunden und legt die natürlichen Zeiten für Aktivität und Ruhe fest. Diese innere Uhr wird zirkadianer Rhythmus genannt, von lateinisch “circa” für “rund” und “dies” für “Tag”. Der zirkadiane Rhythmus in den Zellen unseres Körpers wird von einer “Hauptuhr” gesteuert, die im suprachiasmatischen Nukleus (SCN) im Hypothalamus unseres Gehirns sitzt [3].
Was lässt uns wach oder müde fühlen?
Es gibt zwei verschiedene Faktoren, die unser Aktivitätslevel beeinflussen. Der erste ist der homöostatische Schlafdruck. Er steigt linear mit der Zeit, die wir wach sind, an und sinkt während des Schlafs wieder ab. Der andere Faktor ist der zirkadiane Rhythmus. Über den Tag hinweg reguliert er unseren Wachheitsgrad über die Hormone Cortisol und Melatonin. Das “Stresshormon” Cortisol aktiviert Körper und Geist. Es steigt zur biologischen Morgenzeit an (d.h. Morgen gemäß der inneren Uhr) und sinkt zur biologischen Abendzeit ab. Das Gegenteil gilt für das “Schlafhormon” Melatonin, dessen Anstieg abends und nachts für Müdigkeit sorgt, bevor es am biologischen Morgen absinkt [4].
Wovon hängt mein zirkadianer Rhythmus ab?
Der zirkadiane Rhythmus unterscheidet sich von Mensch zu Mensch in Periode und Phase. Das bedeutet, dass ein freilaufender Zyklus bei verschiedenen Menschen zum Beispiel 23:50h oder 24:30h dauern kann [5]. Außerdem neigen manche Menschen von Natur aus dazu, früher aufzuwachen (sogenannte “Lerchen”), während andere dazu neigen, länger wach zu bleiben (“Eulen”) [6]. Diese Tendenzen sind genetisch festgelegt, aber sie variieren auch mit dem Alter: In der Jugend erfährt unser zirkadianer Rhythmus eine Verzögerung – wir werden eher zu Eulen -, während er sich mit zunehmendem Alter in Richtung nach vorne verschiebt. Aus diesem Grund neigen ältere Menschen dazu, morgens früher aufzustehen [7].
Mehr Infos findest du in unserem Blogbeitrag "Was bestimmt meinen zirkadianen Rhythmus?".
Wie kann ich meinem Rhythmus beeinflussen?
Um zu verhindern, dass der nur ungefähr 24-stündige zirkadiane Rhythmus im Laufe der Zeit von den tatsächlichen Tageszeiten abweicht, synchronisiert er sich mit bestimmten äußeren Zeit-Indikatoren, zum Beispiel (Tages-)Licht. Diese sogenannten Zeitgeber können die zirkadiane Uhr ein wenig vor- oder zurückstellen. Das Ausmaß und die Richtung der Verschiebung hängt von der Art des Zeitgebers und dem Zeitpunkt der Stimulation ab [8]. Der dominierende Zeitgeber ist Licht, aber auch Reize wie körperliche Aktivität, Nahrungsaufnahme oder von außen zugeführtes Melatonin (z.B. als Tablette) haben nachweislich Einfluss auf die zirkadiane Phase, also die Uhrzeit der inneren Uhr [9,10,11,12].
Diese Website hilft dir, deinen eigenen Rhythmus besser zu verstehen und dich auf die Risiken und Probleme aufmerksam machen, die mit starken Abweichungen zwischen innerer und äußerer Uhr verbunden sind. Vor allem aber wird sie dir wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vermitteln, wie du deinen zirkadianen Rhythmus beeinflussen kannst, um leichter aus dem Bett zu kommen, den ganzen Tag über energiegeladen zu sein oder abends schneller einzuschlafen. Mache deinen zirkadianen Rhythmus zu deinem Verbündeten, um dein bestes Selbst zu sein.
Referenzen
[1] Walker, W. H., Walton, J. C., DeVries, A. C., & Nelson, R. J. (2020, December 1). Circadian rhythm disruption and mental health. Translational Psychiatry. Springer Nature. https://doi.org/10.1038/s41398-020-0694-0
[2] Czeisler, C. A., & Gooley, J. J. (2007). Sleep and circadian rhythms in humans. In Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology (Vol. 72, pp. 579–597). Cold Spring Harbor Laboratory Press. https://doi.org/10.1101/sqb.2007.72.064
[3] Walker, M. (2017). Why we sleep: Unlocking the power of sleep and dreams. Simon and Schuster.
[4] Borbély, A. A., & Achermann, P. (1999). Sleep Homeostasis and Models of Sleep Regulation. Journal of Biological Rhythms, 14(6), 559–570. https://doi.org/10.1177/074873099129000894
[5] Czeisler, C. A., Duffy, J. F., Shanahan, T. L., Brown, E. N., Mitchell, J. F., Rimmer, D. W., … Kronauer, R. E. (1999). Stability, precision, and near-24-hour period of the human circadian pacemaker. Wissenschaft, 284(5423), 2177–2181. https://doi.org/10.1126/science.284.5423.2177
[6] Roenneberg, T., Kuehnle, T., Juda, M., Kantermann, T., Allebrandt, K., Gordijn, M., & Merrow, M. (2007, December 1). Epidemiology of the human circadian clock. Sleep Medicine Reviews. W.B. Saunders. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2007.07.005
[7] Roenneberg, T., Kuehnle, T., Pramstaller, P. P., Ricken, J., Havel, M., Guth, A., & Merrow, M. (2004, December 29). A marker for the end of adolescence. Current Biology. Cell Press. https://doi.org/10.1016/j.cub.2004.11.039
[8] Roenneberg, T., & Merrow, M. (2007). Entrainment of the human circadian clock. In Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology (Vol. 72, pp. 293–299). Cold Spring Harbor Laboratory Press. https://doi.org/10.1101/sqb.2007.72.043
[9] Blume, C., Garbazza, C., & Spitschan, M. (2019, September 1). Effects of light on human circadian rhythms, sleep and mood. Somnologie. Dr. Dietrich Steinkopff Verlag GmbH and Co. KG. https://doi.org/10.1007/s11818-019-00215-x
[10] Youngstedt, S. D., Elliott, J. A., & Kripke, D. F. (2019). Human circadian phase–response curves for exercise. The Journal of Physiology, 597(8), 2253–2268. https://doi.org/10.1113/JP276943
[11] Kräuchi, K., Cajochen, C., Werth, E., & Wirz-Justice, A. (2002). Alteration of Internal Circadian Phase Relationships after Morning versus Evening Carbohydrate-Rich Meals in Humans. Journal of Biological Rhythms, 17(4), 364–376. https://doi.org/10.1177/074873040201700409
[12] Burgess, H. J., Revell, V. L., Molina, T. A., & Eastman, C. I. (2010). Human Phase Response Curves to Three Days of Daily Melatonin: 0.5 mg Versus 3.0 mg. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 95(7), 3325–3331. https://doi.org/10.1210/jc.2009-2590